Ich schaue gerne Parteitage – aller Parteien. Weil ihnen stets und trotz aller Parteitagsregie ein amateurhaftes, fast anarchisches Moment innewohnt, im Gegensatz etwa zu den hoch professionellen parlamentarischen Debatten. Auf jedem Parteitag gibt es immer auch Reden und Wortbeiträge, die Einblicke in das Innenleben und Meinungsbild der Partei bieten, die man sonst selten wahrnimmt.
Ich mag sie auch, weil sie die Anstrengung und mitunter Umständlichkeit von Demokratie so gut darstellen. Sie dauern lange und oft länger als geplant, hunderte Menschen müssen sich an einem Ort treffen, das Präsidium ringt mit der Tagesordnung, Schlangen vor den Wahlkabinen, Zählkommissionen. Und entgegen meiner Erwartung fühlt sich das oft an, als sei das richtig so, wie und weil es sich der Digitalisierung widersetzt.
Und ich mag sie, weil sie dafür stehen, wie Parteien funktionieren sollten (und eben auch können), nämlich von oben nach unten, so wie es das Delegiertenprinzip vorsieht: Ortsverbände entsenden Delegierte auf die nächsthöhere Ebene, aus deren Mitte werden Delegierte auf die Landesebene und von dort auf die Bundesebene geschicht. Alle Probleme der Einflussnahme sind sattsam bekannt und sollten nicht schöngeredet werden. Aber das Prinzip funktioniert und ist gut.