Wie aber müsste eine soziale Plattform beschaffen sein, auf der man sich gerne aktiv mit Fremden austauscht? Sie müsste erstens öffentlich-rechtlich sein; und zweitens trotzdem Spaß machen.
Philipp Bovermann spricht sich in der Süddeutschen für eine öffentlich-rechtliche soziale Plattform als Gegenmodell zu Facebook, Twitter und Co. aus. Denn Facebook hätte längst das Interesse an einer digitalen Öffentlichkeit verloren und dirigiere seine Nutzer „hinter unsichtbare Mauern, um sie vor einer möglichen Stressquelle abzuschotten: Menschen mit anderen Meinungen“.
Vorweg: Ich fände es gut, würde die öffentliche Hand es als ihre Aufgabe betrachten, digitale Öffentlichkeit(en) im Rahmen der Grundversorgung zu fördern. Das könnte sie zum Beispiel tun, indem sie die Weiterentwicklung von Protokollen wie beispielsweise ActivityPub fördert.
Aber gibt es konkreten Bedarf an einer öffentlich-rechtlichen sozialen Plattform? Der ÖR-Rundfunk – als offenkundiges Beispiel – hat den Auftrag, „im Interesse von Informationsfreiheit und Demokratie, ein vielfältiges, umfassendes und ausgewogenes mediales Angebot zu sichern“.
Die Gefahren bestehender Netzwerke für Informationsfreiheit und Demokratie sind derzeit evident und werden in vielfältiger Weise diskutiert – Netzwerke wie Facebook versuchen bereits zu reagieren. Zugleich sind die in Rede stehenden Unternehmen und Technologien durchweg sehr jung und wir wissen derzeit nicht, ob diese Gefahren Bestand haben werden, ob die technischen und designbezogenen Maßnahmen greifen werden, oder ob sich sogar die sozialen Praktiken von NutzerInnen im Umgang mit ihnen einfach ändern.
Zugleich ist der Auftrag des Rundfunks, Vielfalt und Ausgewogenheit zu zu fördern, für diesen praktisch erfüllbar (um die Frage, ob er erfüllt wird, geht es hier nicht – ich meine ja). Soziale Netzwerke, die solche oder vergleichbare Zwecke verfolgen sollten, müssten diese aber auf der Ebene des Designs, der Technologie, der Algorithmen umsetzen. Dieses Problem halte ich für ungelöst. Bovermann hält es für möglich:
Es könnte tatsächlich sein, dass der implizit in sie hineinprogrammierte Gesellschaftsentwurf einer öffentlich-rechtlichen Plattform dazu führt, dass es dort angenehmer ist, mit fremden Menschen in Kontakt zu treten.
Bei dieser Idee eines „hineinprogrammierten Gesellschaftsentwurfs“ werde ich allerdings unruhig. Wie anspruchsvoll und fehlerbehaftet Versuche sind, Gesellschaft in Code abzubilden, zeigen zahllose Beispiele, von sozialen Medien selbst, über Blockchain bis hin zu dem, was derzeit als künstliche Intelligenz vermarktet wird.
Aus meiner Sicht müsste die Diskussion genau da ansetzen: Netzwerkdesigns, die Filterblasen überwinden wo sie stören, vielleicht aber auch fördern wo sie sinnvoll sind – etwa wenn sich Gleichgesinnte einfach erstmal finden müssen, gewissermaßen das digitale Äquivalent zu Parteien.
Zu bedenken ist: Überall dort, wo sich analog „Marktplätze politischer Ideen“ formierten, die Bovermann digital nachbilden möchte, hatten diese nur Bestand, wenn sie hochgradig reglementiert und (so meine Wertung) zivilisiert wurden, seien es Parlamente oder Parteien durch Moderation, Geschäftsordnungen, Satzungen, Rednerlisten, Redezeitbegrenzung etc. Das genaue Gegenteil also davon, dass einfach alle miteinander reden. Ob und wie solche Strukturen digital abbildbar sind, halte ich für offen.
Eine Antwort zu “Eine öffentlich-rechtliche soziale Plattform?”
Eine öffentlich-rechtliche soziale Plattform?: wolfwitte.blog