Wie Europa 1914 in den Krieg zog: Ein umwerfendes Panorama der internationalen Beziehungen vor dem ersten Weltkrieg.
Eindrucksvoll ist nicht nur der Umfang der überlieferten Korrespondenzen, Telegramme, Protokolle, Tagebücher und sonstigen Veröffentlichungen, eindrucksvoll ist auch die Akribie, mit der Clark diese Quellenlage bewertet und eingeordnet hat; einschließlich aller Leerstellen, Unklarheiten oder schlicht unerklärlichen Entscheidungen.
Ich hatte das Buch im Januar ausgeliehen und wohl geglaubt, es könne bei der Bewertung der damaligen Lage in irgendeiner Weise helfen. Die Lage hat sich inzwischen auf dramatische Weise verändert und jegliche dilettantischen Einschätzungen oder Bewertungen meinerseits verbieten sich.
Ein Sampler des Netlabels Energostatic, Erlöse gehen zugunsten von Save The Children „and their specific activities supporting Ukraine at this time“. Die Hintergründe sowie die auf der Kompilation vertretenen Künstler werden hier vorgestellt.
A big thank you to label owner Marian for allowing this project to happen as he deals with life in Kyiv right now, the artists for their participation, and Rafael Anton Irisarri for kindly providing his mastering services.
Der Sampler kann auf Bandcamp gehört und per Name your Price erworben werden.
Hinrich Schmidt-Henkel leitet sein Essay zur Übersetzung dieses Buches (übrigens hochinteressant) so ein:
Louis-Ferdinand Céline zwingt jeden Leser in die paradoxe Urteilsspannung zwischen Bewunderung für den Stilisten, den Revolutionär der Literatur, und Erschrecken über die blindwütige, menschenverachtende Hetze, deren er fähig war.
Ich habe schon mehrmals vergeblich versucht, die Reise ans Ende der Nacht zuende zu lesen. Erst mit diesem, dritten, Versuch ist es gelungen. Nicht nur wegen der menschenverachtenden Hetze. Es gibt auch darin Passagen, die gerade wegen ihres Weltekels lesenswert sind. Aber das Buch ist vor allem in seiner zweiten Hälfte mitunter auch einfach langweilig; mit dem wirklich umwerfenden Abschluss dann wieder lohnenswert, aber eben zäh.
Wäre „Cancel Culture“ real, könnte sie sich an Céline regelrecht abarbeiten; sicherlich tun das auch einzelne. Ich schätze dazu die Haltung von Philip Roth:
Um die Wahrheit zu sagen: Mein Proust in Frankreich, das ist Céline! Er ist wirklich ein sehr großer Schriftsteller. Auch wenn sein Antisemitismus ihn zu einer widerwärtigen, unterträglichen Gestalt macht. Um ihn zu lesen, muss ich mein jüdisches Bewusstsein abschalten, aber das tue ich, denn der Antisemitismus ist nicht der Kern seiner Romane. (…) Céline ist ein großer Befreier.
Zwei sehr schöne, überlange Ambient-Tracks – natürlich gekauft bei Bandcamp.
The field recording used and manipulated on the title track was made at the Slate Quarry on Valentia Island (in Irish, Beal Inse, which translates as Mouth of the Sound). The quarry is heard before it is seen, a large and resonant mouth in the earth. The piece immediately submerges the listener in saltwater turbulence and quivering electronics.
Der beste Culture-Band? Sehr gut möglich; aber eigentlich ist ja jeder Culture-Band, den man gerade liest oder gelesen hat, der beste.
Look to Windward gelingt es, zugleich die unermesslichen Kosten des Krieges und die utopische Gesellschaft der Culture zu beschreiben. Oft humorvoll, mitunter das Horror-Genre streifend und wie immer bei Banks verfasst in einer genre-untypischen literarischen Qualität.
Die Rezensionsnotizen zu diesem Buch waren ja geradezu hymnisch. Ich fand es interessant, aber nun auch nicht überragend. Es bewegt sich, was den politischen Realismus der Arbeit im Bundestag betrifft, in einem merkwürdigen Uncanny Valley: Die Geschichte ist so nah dran an dem wahren Ereignisgeflecht aus NSU, Untersuchungsausschuss, Christian Wulff, Sebastian Edathy und Michael Hartmann, dass die Feinheiten sie noch mehr ins Fiktive, teils Absurde rücken. Im Büro des Ausschussvorsitzenden scheint nie richtig gearbeitet zu werden. Termindruck, Hetzerei, Berge an Drucksachen gibt es dort nicht. Die Gespräche, die geführt werden, klingen mitunter vollkommen irreal. Außerdem – eine Kleinigkeit, die mich aber oft aus der Lektüre herausriss – haben etliche Figuren wirklich seltsame Namen.
Inversions ist wenig wie die Star Trek-Episoden, bei denen sich Crewmitglieder unter die Bevölkerung eines weniger weit entwickelten Planeten mischen – hier erzählt aus Sicht dieser Bevölkerung. Oder auch wie die Garfield minus Garfield Comics.
Es ist den Fähigkeiten von Ian Banks zu verdanken, dass sich dieser Roman, in dem die utopische Scifi-Gesellschaft Culture lediglich in wenigen Andeutungen vorkommt, dennoch so gut liest. Im Grunde ein Historienroman in einer alternativen frühen Neuzeit, mit exzellent geschriebenen Figuren.
Zugegebenermaßen blieb ich als Leser auch deshalb am Ball, weil ich einen Showdown erwartete, in dem die Culture-Agenten sich offenbaren müssen. Den gibt es auch, allerdings inkonsquenter als erhofft. Auch bleiben die beiden Erzählstränge weitgehend unabhängig voneinander; das führte zu milder Enttäuschung meinerseits.
Optimistische, friedvolle (as in nicht militärisch), packende Science Fiction, wie schon Der Marsianer mit einem unverwüstlichen Space-McGyver in der Hauptrolle. Das ist wohl der eine Charakter, den Andy Weir schreiben kann oder mag. Außerdem hard SciFi im besten Sinne, also wissenschaftlich fundiert geschrieben, ohne Leser mit Techno-Babble zu überfordern.
Der alternde Bolschevik Rubashov wird von der immer unmenschlicher werdenden Parteibürokratie zermalmt. Ein Meisterwerk, das auch seinen geistigen Zwilling 1984 in den Schatten stellt.
Von allen Geschichten aus dem weiten Genre der Fantastik, die ich in den vergangenen Jahren gelesen habe, wohl die seltsamste, schönste und berührendste.
Und hier die vollständige Liste meiner in 2021 gelesenen Bücher – nebst meiner neuen Sternchenbewertungen:
Gehe ich nach meinem last.fm-Profil, so war 2021 das musikärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen (2005). Aber ich habe das Schallplattehören wiederentdeckt, im Frühjahr einige aus dem elterlichen Keller geborgen und sogar ein paar gekauft.
Trotzdem habe ich 2021 wirklich wenig Musik gehört. Es gilt eben, was ich schon vergangenes Jahr geschrieben habe: Musik muss sich auch bei mir zunehmend gegen alle Medienalternativen durchsetzen.
Wenn es um musikalische Neuentdeckungen geht, bin ich inzwischen sehr genügsam. Eine Handvoll neue Bands (Weather Station, Sprints), ein exzellentes Album einer altbekannten Band (Notwist) und die eine oder andere Ambient-Veröffentlichung nebenbei und drumherum – das genügt mir vollauf. Hier sind meine diesjährigen Top 5 und ein Honorable Mention:
The Weather Station – Robber
2021 hat mich nach B. Eilish und Fiona Apple schon wieder eine Frauenstimme mehr begeistert als alle anderen. Tamara Lindemans Weather Station kamen für mich aus dem Nichts und überzeugten schon mit dem Perkussion-Intro zum Übersong Robber. Opulent und trocken produziert, mit Talk Talk-Anleihen, die sie nur noch edler klingen lassen.
Sprints – Drones
Dem Himmel sei gedankt für Sprints aus Irland, die Noisepunk machen als es sei es noch 2002 und ich ginge gleich ins Forum Bielefeld. Die erste Band seit Jahren, auf deren Deutschlandtour (wenn es wieder Touren und Konzerte gibt) ich mich über alle Maßen freue.
Eluvium – Hallucination I
Nicht das beste Ambient-Album, aber wohl der beste Track dieses Jahres stammt von Matthew Eluvium Cooper. Hallucination I (auf dem Album famose 14 Minuten kurz) wünsche ich mir für die nächste Denis Villeneuve-Verfilmung von irgendeinem Science Fiction-Stoff.
Gewalt – Es funktioniert
Nach Jahren fantastischer EPs machen Gewalt den ungewönlichen wie folgerichtigen Schritt und veröffentlichen ein Album. Das hat aus dem Presswerk bis zu mir etwas länger gebraucht und wird daher noch erkundet. Der Opener Es funktioniert reiht sich aber ein in zahllose Gewalt-Hits von Szenen einer Ehe bis So geht die Geschichte:
Perila – Fallin Into Space
Das beste Ambient-Album des Jahres stammt von Alexandra Zakharenko aka Perila. Es knarzt und brummt exakt so, wie es das soll. Und mehr gibt es dazu auch gar nicht zu sagen, wie es sich für gute Ambientmusik gehört.
Honorable Mention: Ike & Tina Turner – River Deep Mountain High
Nicht aus diesem Jahr – oder Jahrhundert -, aber die größte Entdeckung seit der letzten größten Entdeckung ist ausgerechnet Rockröhre Tina Turner mit diesem Übersong aus 1967. Christian Ihle schrieb dazu alles nötige
Jedenfalls, über „River Deep, Mountain High“ kann nicht geschrieben werden, ohne Tina Turners Stimme zu erwähnen: wie sie sich gegen Ende des Songs alleine gegen diesen mächtigen, mächtigen Wall Of Sound stemmt, zwischen 2.45 und 3.00¹ fast begraben wird, „Baby“, „Baby“ schreit, nur um in den folgenden, letzten dreißig Sekunden des Songs noch einmal den Refrain aufzunehmen und Spectors Produktion unter ihrer Stimme zu begraben – das gehört sicherlich zu den machtvollsten Vocals der Musikgeschichte.
1) da bezieht er sich wohl auf eine andere Version als die im obigen Video, das ist nämlich gar nicht so lang. Man hört aber trotzdem, was er meint.
Und nun – wie auch schon in den Jahren 2020, 2019, 2018, 2017, 2016, 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010 und 2009 – mit unumstößlicher Genauigkeit die Top50 der meistgehörten Bands und Künstler im Jahr 2021:
Meinen letzten Reynolds (House of Suns) habe ich ja in einer Liste von SF-Büchern gefunden, die dezidiert nicht Bestandteil einer Serie sind. Hätte ich doch nur bei Revelation Space darauf geachtet, so wäre mir diese Lektüre vielleicht erspart geblieben, denn natürlich eröffnet der Band ein ganzes Universum aus Fortsetzungen und Kurzgeschichten.
Revelation Space ist vor allem unfassbar langweilig. Es hat keinerlei Figuren, für die man sich interessieren könnte, die Handlung schleppt sich mühsam von einem Infodump zum nächsten. Zum Ende hin wird ein milde interessantes SF-Konzept eingeführt, um das man sicher eine interessante Geschichte hätte schreiben können. Revelation Space ist das nicht.